sjÁlfur verloren im Goldenen Schnitt
Geschrieben von sjAlfur unter sjAUDIO
Heute habe ich mir Gedanken gemacht. Das mache ich zwar öfter, aber heute habe ich es mal RICHTIG gemacht, und dabei ist folgendes rausgekommen. Es wäre mir ein großes Anliegen, wenn jemand das liest und eine Meinung dazu hat, aber ich weiß, dass Blog-Einträge ab einer gewissen Länge kaum gelesen werden (ich weiß das, weil ich selbst lange Beiträge eher selten lese), und dieser Beitrag wird definitiv LANG!
Kurze Einleitung:
Wir haben momentan Musikgeschichte, und auf Spuren von schlauen toten Leuten wie Palestrina, Händel oder Monteverdi, sind wir natürlich auch auf Bach gekommen, und auf seinen Hang zu mathematischen Berechnungen in seiner Musik (etwas, was mir sehr sympathisch ist...), worüber wir dann zu den Fibonacci-Zahlen und dem Goldenen Schnitt kamen.
Überspringen wir hier mal eine Menge theoretischen Inhalts, der zwar interessant ist, aber zuviel für diesen Eintrag wäre. Es endet jedenfalls damit, dass ich mir dachte, dass wenn selbst die Natur gerne auf diese ominösen 61,8 % zurückgreift, das ganze auch für die Musik gelten könnte. Das scheint im Aufbau von Populärmusik auch ganz gut zu funktionieren, aber ich hatte etwas anderes im Sinn: Eine auf dem Goldenen Schnitt beruhende Tonart, bzw. eine auf dem Goldenen Schnitt beruhende Stimmung.
Ich habe mir dazu den Grundton bei 1000 Hz genommen. Damit war ich prinzipiell losgelöst von bestehenden Intervallen (die ja egal ob nach Pythagoras oder nach Bach sowieso immer eine Abweichung einschließen). Die Einteilung Hertz ist dabei eine zulässige, die nicht Konstrukt sondern physikalisch begründbares Axiom ist. Denn Hz=1/s bezieht den Wert auf eine Zeiteinheit. Da eine Tonart auf Intervall-Einteilungen beruht, ist ein solcher Wert dann zulässig, wenn man ihn auf die gleiche Zeiteinheit bezieht wie den Vergleichswert, was im Falle von Hertz gegeben ist.
1000 Hz habe ich deshalb gewählt, weil es relativ mittig im menschlichen Hörbereich liegt, einfach zu rechnen ist und somit nach oben und unten genug Spielraum bietet... Ich musste meine 100 % anlegen, denn ohne einen Bereich der 100 % ergibt, kann eine Verhältniseinteilung wie der Goldene Schnitt nicht durchführbar sein. Meine 100 % legte ich also auf den Oktavumfang an, da die Oktave als Intervall dem physikalischen Fakt der doppelten Hertz-Zahl entspricht (also halb so große Wellenlänge).
Das führt dazu:
PRIME bei 1000 Hz
OKTAVE bei 2000 Hz
Mein Oktav-Intervall umfast dabei 1000 Hz (Differenz aus Oktave und Prime). 61,8 % von 1000 Hz sind 618 Hz. Von der Prime ausgehend liegt mein erstes Intervall (nach Goldenem Schnitt) also bei 1618 Hz. Die QUINTE liegt bei 1500 Hz, also bei 3/2 der Hertz-Zahl des Grundtons. Rechnet man die Differenz aus "meinem Intervall" und der Quinte, kommt man auf 118 Hz Abweichung. Das sind (gerundet) 12 % meiner 1000 Hz des Grundtons. 12 % sind etwa 1/8, da eine oktave aus 12 Haltonschritten besteht, liegt mein Intervall also 1,5 Halbtonschritte über der Quinte. Also zwischen kleiner und großer Sexte.
Ich habe natürlich meine Gitarre einen Viertelton runtergestimmt (eine Saite davon, logischerweise), um dieses Intervall zu spielen. Es klang interessant. Und außerdem schief und nicht gestimmt. Jetzt kann man sagen, dass das an den Hörgewohnheiten liegen könnte, aber wenn man überlegt, wie sich Schallwellen in Hinsicht auf Addition, Summen- und Differenzbänder verhalten (und die Phasenlage berücksichtigt), kommt man nach langem hin und her denken, einem Einkauf, einem SAE-Rückweg und mehreren Skizzen zu dem schluss, dass es nichts reineres geben kann als die Prim/Quint/Oktav-Einteilung...
Meine Rechnungen dazu waren übrigens folgende:
PRIME 1000 Hz
GS-IVL 1382 Hz
QUINTE 1500 Hz
GS-IVL 1618 Hz
OKTAVE 2000 Hz
1000 : 12 = 83,3(P)
96
----
40
36
1000 PRIME
1083 kl SEK
1167 gr SEK
1250 kl TER
1333 gr TER
1417 QUARTE
1500 QUINTE
236 : 83,3(P) ~ 2,12 -> 2 1/8
61,8 %
38,2 %
618 : 382 = 1,61708001
382
---
2360
2292
----
680
382
---
2980
2674
----
3060
3056
----
400
382
---
180
Egal.
Aber das führt nun unweigerlich zu der Frage: Wie weit ist die Auffassung von "Wohlklang" Physik bzw. Naturgesetz, wie weit ist sie kulturell antrainiert und inwieweit ist sie Teil unseres Wesens? Sicher ist (bin ich...), dass alles mit reinspielt, aber wo ist die Grenze?
Es gibt definitive Verankerungen des Goldenen Schnitts in der Natur, aber wie weit ist das nur Konstrukt? Und inwieweit ist es tatsächlich "Natur"...?
Ich widme mich jetzt dem Goldenen Schnitt auf einer anderen Ebene, nämlich auf dem der Zeiteinteilung, das ist weniger innovativ, aber es ist ein Ansatz, den man weit ausreizen kann...
sjÁlfur
Interessant.
Was Du ausprobierst, finde ich aber auch so interessant. Wie hört sich das denn an? Kannst Du das mal aufnehmen und ins Netz stellen? Denn mit Deinen mathematischen Überlegungen kann ich als Mathenull leider nix anfangen.
Auch wenn es sich weder zugänglich anhören würde noch für den Zuhörer nachvollziehbar wäre, auf welchen Prinzipien es beruht - könnte spannend sein. In Thomas Manns "Dr. Faustus" gibt's dazu eine interessante Stelle:
"Hören?" erwiderte er. "Erinnerst du dich an einen gewissen gemeinnützigen Vortrag, der uns einmal gehalten wurde, und aus dem hervorging, daß man in der Musik durchaus nicht alles hören muß? Wenn du unter ‚Hören‘ die genaue Realisierung der Mittel im einzelnen verstehst, durch die die höchste und strengste Ordnung, eine sternensystemhafte, eine kosmische Ordnung und Gesetzlichkeit zustande kommt, nein, so wird man's nicht hören. Aber diese Ordnung wird oder würde man hören, und ihre Wahrnehmung würde eine ungekannte ästhetische Genugtuung gewähren."
Das Intervall aufzunehmen und hochzuladen, werde ich noch machen, allerdings muss ich dafür erstmal die Möglichkeiten schaffen, es ist nämlich doch alles etwas schwieriger, als gedacht.
Das liegt unter anderem daran, dass mir doch noch ein Denkfehler aufgefallen ist, auch wenn der - fürchte ich - nicht viel am Ergebnis ändern wird. Da die Einteilung der "herkömmlichen" Intervalle sich immer auf eine logarithmische Skalierung über einen bestimmten Frequenzbereich bezieht, war meine Rechnung ab der Quinte über eineinhalb Haltöne aufwärts leider falsch. Ich komme also nicht auf die genau Mitte zwischen kleiner und großer Sexte, sondern müsste etwas über der großen Sexte liegen.
Das ist aber kein Problem mehr, wenn ich das mal durch den Signalgenerator gejagt habe, denn der nimmt Hertz-Werte, und die stimmen dann definitiv.
Das Problem des "guten Klangs" liegt aber vermutlich ebensoweit in der Physik wie in der Hörgewohnheit. Letztere kann man (theoretisch) ändern, die physikalischen Bedingungen leider nicht.
Das Problem ist, dass es in der pythagoräischen Stimmung nach Quinten, die früher als "reine Stimmung" genommen wurde, eine exakte Annäherung an die Physik gibt, aber eben nur für eine Tonart, bzw. auf einem Grundton aufbauend. Alle weiteren Grundtöne bauen ihre Intervalle dann von einem anderen 100%-Wert aus auf und laufen somit auseinander.
Dann kamen die temperierten Ansätze, die einfach mit der Zeit ohne Umstimmen alle Tonarten einschlossen, dafür aber in jedem einzelnen Intervall minimal daneben lagen. Diese Stimmung haben heute Klaviere usw. in der Regel. Orchester gehen oft von einem Mittelding zwischen rein und temperiert aus, weil die sich auf ein bestimmtes Stück hin stimmen...
Es gibt also auch da schon das Problem zwischen den unterschiedlichen Grundtönen. Bei mir aber hat es bislang noch nicht auf einem Grundton funktioniert. Allerdings ist auch die Frage, wie rein ein Intervall sein darf. Ein exakt reines Intervall ist für ein Instrument ganz toll, im Orchester klingt es dagegen eher dünn, wenn es zu exakt getroffen ist.
Würde ich mit meinem GS-Intervall jetzt also nicht zu weit über der Sexte liegen, könnte das vielleicht was werden, aber... ich bezweifel das irgendwie noch, denn die bisherigen Intervalle gingen (laut Naturtonreihe) in Verhältnissen von 2/1, 3/2, 4/3, 5/4, ... zum Grundton aus, und ich läge bei ganz groben 8/5... das ist kein wirklich gutes Verhältnis, denke ich...
Andererseits werde ich den Gedanken natürlich nicht so schnell verwerfen, es gäbe noch einige weitere Ansätze, die man testen könnte, z.B. eine Tonfolge auf den Fibonacci-Zahlen aufzubauen, die sich dabei dann den existierenden Halbtönen bedient, also nach dem grundton einen Halbtonschritt hat, dann zwei Halbtons chritte, dann dre, dann fünf, dann acht, usw... das wäre auf jeden fall mal (herkömmlich) harmonischer...
Ich bastel mal weiter, sobald ich Zeit habe und nehme dann mal einige Beispiele auf...
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