it's gettin' hot in here
Geschrieben von sjAlfur unter sjÁlltag
Lustig ist es, hin und wieder völlig unmotiviert in Internet-Foren reinzulesen, weniger wegen der Themen, vielmehr wegen der Art der verbalen Kriegsführung. Weniger lustig ist es natürlich, wenn es dabei auf dem Forum von RTL - dem Sender, der kürzlich die lustigen "Doku"-Sendungen "Der Klima-Schwindel" mit anschließender Diskussionsrunde unter der Leitung von "Oh mein Gott, die Welt geht unter!"-Kloeppel gebracht hat - um eben dieses Thema des Klimawandels geht.
Da schreibt einer als Einführungsposting das nieder, was gerade im Umfeld des G8-Gipfels bezüglich CO2-Ausstoß, abschmelzender Polkappen und drohendem Wassermangel ohnehin durch alle Nachrichten geisterte, der nächste streitet alles ab, weil der Erstposter das nicht mit Quellen belegt hat (und nennt Wikipedia als gesicherte Quelle... sowas müsste eigentlich schon in der Schule rigoros klargestellt werden...), und dann kommt der internet-typische Hanswurst-Archetyp, der mit 'nem Arsch voll Fremdwörter nichts sagt, aber bedeutungsschwer rüberkommen will.
Cool. Ich muss zugeben - obwohl ich nicht wirklich anfällig für sowas bin - aber beim Lesen dieser "Diskussion" (sagen wir besser: "Thread", das ist so schön belanglos) habe ich aufgegeben. Es war zu schmerzhaft. Und zwar wirklich schmerzhaft. Ich habe ja sonst keine Probleme damit, wenn sich Leute zum Affen machen, aber das ging gar nicht mehr.
Das liegt vor allem daran, dass der Poster, der sich als Vertreter der höheren Bildung wähnte nichtmal den wissenschaftlichen Tonfall drauf hatte, den er für seine Rolle besser gelernt hätte. Wenn ich meine Sprache schon aus Demonstrationsgründen um toll klingende (wenn auch einfach durch allen verständliche Wörter zu ersetzende) Fremdwörter erweitere, dann sollte ich darauf achten, dass mein Wortschatz dadurch größer wird. In diesem Fall wurde der aber nur kleiner, weil der gute Mensch für drei annähernd synonym zu gebrauchende Proletariatswörter nur einen Fachausdruck hatte, den aber in jedem zweiten Satz unterbringen musste. Das ließt sich nicht nur Scheiße, das wirkt auch eher... albern.
Aber weg vom Posting, hin zu dem, was RTL mit dieser Sendung getan hat... wobei man fairerweise sagen muss, dass es eigentlich kaum einen Sender mehr gibt, auf dem sowas nicht hätte laufen können... 3sat vielleicht, arte ziemlich sicher, noch ein zwei andere, aber garantiert hätte eine ähnliche Veranstaltung (für ein etwas anders gealtertes Publikum...) auch unter Beckmanns Fuchtel in der ARD laufen können. Oder noch besser bei Sabine Christiansen.
Was macht so ein Sender mit einer solchen Sendung? Ich kann das natürlich nur vermuten, bzw. Schlüsse aus meiner eigenen Beobachtung ziehen, aber es scheint doch so, als hätte sich bei RTL jemand gedacht: "Mensch, Klimawandel ist grad richtig weit vorn, aber das bringen alle... wie machen wir da bessere Quoten draus?"
Und dann wurde diese Doku aus England eingekauft (und leicht editiert), in der eine Gruppe von Klimaskeptikern darauf pocht, dass es keine klaren Beweise für den Klimawandel verursacht durch den Menschen gibt. Das passt gerade ganz gut, sollte man meinen, denn es wird eigentlich Zeit, dass all jene, denen der Gedanke, dass sie der Erde solchen Schaden zufügen, sehr unangenehm ist, weil das ja bedeuten würde, dass sie sich einschränken müssten. Und der Mensch - nach unserer Definition ein Lebewesen, das, wie immer öfter zu beobachten ist, sein individuelles Recht vor alles andere stellt - schränkt sich nicht besonders gerne ein.
Also gibt man den Skeptikern, die wohl in rein wissenschaftlichen Kreisen einfach überstimmt worden wären, ein Forum, um öffentlichkeits- und quotenwirksam das schlechte Gewissen aus ihren eigenen und den Köpfen anderer zu kehren.
Was haben wir davon? Wenn mal ganz genau drüber nachdenkt? Ein wackliges Alibi vielleicht, obwohl ich nicht so ganz glauben kann, dass jemand, der nur ein bischen Sensibilität für das zeigt, was um ihn herum mit der Welt passiert, mit so einem Alibi wirklich was anfangen kann. Denn egal ob man glaubt, der Mensch sei Schuld an der globalen Erwärmung, am Ozonloch oder den Schäden in der Natur, niemand kann bestreiten, dass Müllproduktion, immenser Stromverbrauch und damit verbundener Mangel an fossilen Rohstoffen, die Auswirkungen von Tschornobyl, Majak oder Sellafield, von Mienengürteln in Bosnien, und so vieles mehr direkt menschenverursacht sind. Unjd ich glaube, dass nahezu jede mir bekannte Kultur irgendwo tief in ihren Moralvorstellungen die Sorge um den eigenen Lebensraum verankert hat, und selbst wenn es einigen heute sehr abstrakt scheint, wer einmal gesehen hat, wie der Mensch seinen Lebensraum aktiv zerstört, der kann sich gegen das Gewissen tief in seinem Inneren nicht wehren, egal wieviele Skeptiker die Stichhaltigkeit von Beweisen anfechten, wieviele Anhänger des modernen Relativismus Weichspüler in die Augen streuen...
Und deshalb ist das einzige, was diese Sendung liefert, eine schwache Argumentation für diejenigen, die zu faul oder feige sind, die Verantwortung mitzutragen. Überzeugen wird das eh niemanden mehr, schon gar nicht in Deutschland, das in diesen Dingen trotz Nationalklischees wie Autovernarrtheit usw. doch relativ weit vorne ist.
Abschließend bleibt noch der Hinweis, dass die Quoten der RTL-Sendung auch nicht wirklich überzeugten... Wobei sich dabei immer die Frage stellt, ob man die "Vampir-Jagd" auf PRO7 als Maßsstab nehmen sollte, oder doch eher Dokumentationen zum Klimawandel auf anderen Sendern...
sjÁlfur
Es ist sicherlich so, dass man an sich sich immer darum bemühen müsste auch immer die Gegenseite zu hören. In Gesprächsrunden um den Klimawandel finde ich Wissenschaftler mit Gegenargumenten, dass der Mensch zum größten Teil die ganze Misere selbst verschuldet hat auch vollkommen in Ordnung; trotzdem sollte dem Publikum klar gemacht werden, dass es ein unglaublich kleiner Prozentsatz der gesamten Wissenschaftbande ist, der sowas behaupten will.
"Aber die haben Beweise!", tönte es mit einmal durch den Telefonhörer.
Ja und nein, sie haben Fakten, die sie anders interpretieren als die anderen, womöglich sogar die eine odere andere Studie außer Acht lassen (nicht, dass das nicht auf der anderen Seite genauso passieren kann).
Wobei wir schließlich wieder dazu gekommen sind, dass endlich mal alle mitkriegen sollten, dass Wissenschaft nicht fehlbar ist. Ich kann eine richtig gute Doktorarbeit als Quelle benutzen und trotzdem auf den falschen Weg sein... genauso wie der Autor selber...
aber das ist ja ein alter Schuh.
Der Film ist erstmal total hinter der Zeit her, kann also nur ein Lückenfüller sein - aber die Diskussion auch noch hinterher schieben??
Scherz....ganz bestimmt.
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